Theaterbanner-weiß
home zurueck-grau
balken
Probe6-2 probe5 Probe1-2
balken

Proben zu Tartuffe

Inhalt_Button

Tartuffe von Jean Baptiste Moliére

Molieres Werk lebt vor allem vom Spott. Spott richtet sich vorzugsweise auf alles, was  den normalen Umgang der Menschen untereinander hemmt, zum Beispiel Geiz oder snobistisches Verhalten, verklemmte Moral oder erstarrtes Denken. Besonders aber die Religion neigt in ihrer fundamentalistischen Form dazu die Menschen einzuengen und zu beherrschen. Natürlich fühlt sich ein Schriftsteller vom Range Molieres zu diesem Thema hingezogen, wenngleich der Zeitgeist des 17. Jahrhunderts darauf hin deutet, dass es gefährlich sein könnte sich mit diesem Thema satirisch zu befassen. Mit Tartuffe hat er es dennoch gewagt.

Tartuffe, ein Betrüger, hat sich als frommer Mann ins bürgerliche Haus des etwas naiven Orgon eingeschlichen. Der ist von dem frommen Mann hingerissen, trifft alle Entscheidungen nur noch nach dem Rat von Tartuffe, obwohl der Rest der Familie Zweifel an der Seriosität des Eindringlings hat. Doch Orgon lässt sich davon nicht beeindrucken, obwohl sein Sohn Damis, sein Schwager Cléante und vor allem das forsche Dienstmädchen Dorine versuchen ihm vor Augen zu führen, was für ein Mensch dieser Tartuffe eigentlich ist – das verletzt nur seine Eitelkeit. Und so geht er so weit, Tartuffe seine eigentlich schon verlobte Tochter zur Frau anzubieten und ihm dazuhin sein Haus und sein Vermögen zu überschreiben. Zwar gelingt es schließlich in einer gemeinsamen Aktion von Dorine und seiner Frau Elmire ihm doch noch die Augen zu öffnen, aber das Kind ist schon in den Brunnen gefallen, der Besitz ist weg und der Schaden juristisch nicht mehr reparabel, es sei denn, der Herr selbst greift ein.

 

Wer den Tartuffe zum ersten Mal liest, wird sich fragen, kann denn ein Mann wie Orgon so einfältig sein und einem solchen Betrüger auf den Leim gehen? In der Überzeugung der Überlegenheit heutigen aufgeklärten Denkens mag dieser Gedanke zunächst auftauchen. Bei weiterer Überlegung wird man aber doch sehr schnell sehen, dass dies bei weitem zu kurz greift. Liest man nicht fast wöchentlich, dass eine ältere Dame mal wieder auf den „Enkeltrick“ hereingefallen ist? Aber das ist ja noch, wenn auch für die Betroffene schmerzlich, verhältnismäßig harmlos und auch irgendwie verständlich, handelt es sich doch um eine ethisch hochwertige Haltung: das Mitleid. Gefährlicher ist es, wenn jemand, wie Orgon, auf Heilsversprechen hereinfällt, und damit ist auch die moderne Gesellschaft nicht arm. Da fällt ein ganzes Volk, nämlich das deutsche, auf einen Heilsbringer Hitler herein, der als Gipfel der Unverfrorenheit sogar den üblichen Gruß in „Heil Hitler“ abwandeln lässt. Aber kommen wir ruhig in unsere Zeit – wie viele, angeblich hoch kundige Menschen sind da auf die Heilsversprechen einer kleinen Gruppe von unverantwortlichen Finanzhaien hereingefallen und haben damit eine weltweite Finanzkrise ausgelöst, die uns bis heute anhängt! Ähnliches passiert auch in kleinem Rahmen. Wohl jeder kennt jemanden aus der engeren oder weiteren Bekanntschaft, dem Investitionen in Projekte aufgeschwatzt worden sind, die geplatzt sind oder sich bald als minderwertig  herausgestellt haben. Auch die europaweiten Erfolge von populistischen Parteien und Gruppierungen gehören in diese Kategorie, nicht zuletzt der Brexit, dessen Folgen für Europa noch gar nicht abzusehen sind! Und wir wollen auch die jungen Menschen nicht vergessen, die ein Heilsversprechen in einen mörderischen Dschihad gelockt hat.

Tartuffe ist Alltag – er passiert jeden Tag, auch heute.

.